In einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern von großer Bedeutung für den reibungslosen Ablauf der Geschäftsführung und die Sicherstellung einer positiven Geschäftsentwicklung. Besonders in Zwei-Personen-GmbHs kann es zu Konflikten kommen, bei denen es keine einfache Lösung gibt. Ein häufiges Beispiel ist der Streit zwischen den beiden Gesellschaftern, der so schwerwiegend sein kann, dass eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist. In solchen Fällen bietet die Ausschließungsklage (actio pro socio) eine Möglichkeit, einen Gesellschafter aus der GmbH auszuschließen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Versäumnisurteil vom 11. Juli 2023 (Az.: II ZR 116/21) die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Anwendung der actio pro socio in Zwei-Personen-GmbHs weiter konkretisiert. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die rechtlichen Voraussetzungen und die praktische Bedeutung der Ausschließungsklage.
I. Die Zwei-Personen-GmbH: Besonderheiten und Konfliktpotenzial
Eine Zwei-Personen-GmbH zeichnet sich dadurch aus, dass es nur zwei Gesellschafter gibt, die gemeinsam die Geschäfte führen oder zumindest maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben. Diese enge Struktur kann sowohl Vorteile als auch Risiken mit sich bringen. Während Entscheidungen schnell und unbürokratisch getroffen werden können, führt ein Konflikt zwischen den Gesellschaftern häufig zu einer Blockade der Geschäftsführung.
Die Konfliktpotenziale sind vielfältig: Unterschiedliche Auffassungen über die strategische Ausrichtung des Unternehmens, persönliche Differenzen oder der Vorwurf von Pflichtverletzungen durch einen der Gesellschafter können schnell zu einer unüberbrückbaren Kluft führen.
II. Die actio pro socio als rechtliches Instrument
Die actio pro socio ist eine Klageform, die es einem Gesellschafter ermöglicht, im Namen der Gesellschaft rechtliche Ansprüche gegen einen anderen Gesellschafter geltend zu machen. Dies wird in der Regel dann relevant, wenn der andere Gesellschafter Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzt hat und eine Lösung innerhalb der GmbH nicht möglich erscheint. Die actio pro socio dient somit dem Schutz der Gesellschaft und ist ein Instrument zur Durchsetzung der Interessen der Gesellschaft gegen einen problematischen Gesellschafter.
Im Kontext einer Zwei-Personen-GmbH gewinnt die actio pro socio besondere Bedeutung, da der verbliebene Gesellschafter keinen anderen Weg hat, um gegen den störenden Gesellschafter vorzugehen.
III. Voraussetzungen der Ausschließungsklage nach der actio pro socio
Die Ausschließung eines Gesellschafters ist ein tiefgreifender Eingriff in dessen Gesellschafterrechte und bedarf daher strenger rechtlicher Voraussetzungen. Nach dem Urteil des BGH vom 11. Juli 2023 (II ZR 116/21) sind insbesondere folgende Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ausschließungsklage erforderlich:
- Vorliegen eines wichtigen Grundes: Ein Gesellschafter kann nur dann ausgeschlossen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher wichtiger Grund kann zum Beispiel in einer schweren Pflichtverletzung des Gesellschafters liegen, die das Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern zerstört und eine Fortsetzung der Zusammenarbeit unmöglich macht. Beispiele hierfür sind die Schädigung der Gesellschaft durch Fehlverhalten oder Verstöße gegen die Gesellschafterpflichten.
- Keine statutarische Regelung erforderlich: Der BGH stellte in seinem Urteil klar, dass für die Ausschließung eines Gesellschafters keine spezielle statutarische Regelung im Gesellschaftsvertrag erforderlich ist. Das bedeutet, dass auch ohne ausdrückliche Regelung im Gesellschaftsvertrag ein Gesellschafter ausgeschlossen werden kann, sofern ein wichtiger Grund vorliegt.
- Wirksamkeit mit Rechtskraft des Urteils: Der BGH stellte weiterhin fest, dass die Ausschließung des Gesellschafters bereits mit Rechtskraft des Urteils wirksam wird und nicht von der Leistung einer Abfindung abhängig ist. Dies stellt eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung dar, nach der die Ausschließung erst mit der Zahlung der Abfindung wirksam wurde.
IV. Der Ablauf der Ausschließungsklage
Die actio pro socio läuft in der Praxis folgendermaßen ab:
- Erhebung der Klage: Der klagende Gesellschafter erhebt die Ausschließungsklage im Namen der Gesellschaft. Es ist wichtig zu beachten, dass die Klage im Namen der GmbH und nicht im eigenen Namen erhoben wird.
- Darlegung des wichtigen Grundes: Der Kläger muss den wichtigen Grund detailliert darlegen und beweisen. Es muss klar aufgezeigt werden, inwiefern der ausgeschlossene Gesellschafter seine Pflichten verletzt hat und warum eine weitere Zusammenarbeit nicht möglich ist.
- Gerichtliche Entscheidung: Das Gericht prüft, ob die Voraussetzungen der Ausschließung vorliegen. Ist dies der Fall, erlässt es ein Urteil, das zur Ausschließung des Gesellschafters führt.
- Abfindung des ausgeschlossenen Gesellschafters: Auch wenn die Ausschließung mit Rechtskraft des Urteils wirksam wird, hat der ausgeschlossene Gesellschafter in der Regel Anspruch auf eine Abfindung. Diese richtet sich nach dem Wert seines Geschäftsanteils. Die Zahlung der Abfindung ist jedoch nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit der Ausschließung.
V. Praktische Bedeutung des Urteils und rechtliche Konsequenzen
Das Urteil des BGH vom 11. Juli 2023 (II ZR 116/21) hat erhebliche Auswirkungen auf Zwei-Personen-GmbHs. Durch die Klarstellung, dass die Ausschließung eines Gesellschafters auch ohne statutarische Regelung möglich ist, wird den Gesellschaftern ein wichtiges Instrument zur Konfliktbewältigung an die Hand gegeben. Gleichzeitig schützt die actio pro socio die Gesellschaft vor einem störenden Gesellschafter, der durch sein Verhalten das Fortbestehen der Gesellschaft gefährdet.
Die Möglichkeit, einen Gesellschafter bereits mit Rechtskraft des Urteils auszuschließen, ohne auf die Abfindungszahlung warten zu müssen, erleichtert zudem die praktische Umsetzung der Ausschließung.
Fazit
In einer Zwei-Personen-GmbH kann es bei schwerwiegenden Konflikten zwischen den Gesellschaftern zur Unmöglichkeit einer weiteren Zusammenarbeit kommen. In solchen Fällen bietet die Ausschließungsklage (actio pro socio) ein rechtliches Instrument, um einen Gesellschafter aus der GmbH zu entfernen. Das Urteil des BGH vom 11. Juli 2023 (II ZR 116/21) hat die Voraussetzungen für die Ausschließung eines Gesellschafters weiter konkretisiert und erleichtert die Durchsetzung in der Praxis. Unternehmen sollten jedoch stets professionellen Rechtsrat einholen, um sicherzustellen, dass alle rechtlichen Anforderungen erfüllt sind.